Interview mit Andrea Künzel

Atemwegserkrankungen, Schlaflosigkeit, Krebs, den Verlust ihres Sohnes – Andrea Künzel hat in ihrem bald 70-jährigen Leben vieles ertragen müssen. Immer wieder ging es auch um den Flughafen Leipzig/Halle. 2008 war sie eine der Ersten, die den Flughafen um Fluglärmminderungen an ihrer Eigentumswohnung bat. Bis sie einen Lüfter bekam, der sie nicht noch mehr einschränkte als der Lärm der Maschinen, musste sie lange kämpfen. Im Interview erzählt Frau Künzel ihre Leidensgeschichte im Schatten des Wachstums.

Wie alt sind Sie?

Ich werde im Juni 2021 siebzig Jahre alt und könnte eigentlich sagen: „Nach mir die Sintflut.“ Für mich langt das alles noch. Die richtig verheerenden Folgen werde ich vielleicht nicht mehr erleben. Leider scheint ein großer Teil der Verantwortlichen so zu denken und das frustriert mich. Ich möchte, dass unsere Erde auch für nachfolgende Generationen lebenswert bleibt. Ich kämpfe auch für die Zukunft meines noch verbliebenen Sohnes.

Wenn Sie Ihr Verhältnis zum Flughafen in wenigen Worten beschreiben müssten, was würden  Sie sagen?

Ich finde, der Flughafen vernachlässigt  in arroganter Weise die Befindlichkeiten der Anrainer. Klimaschutz, Lärmschutz, Umweltschutz und die Gesundheit der Anwohner und der Bevölkerung überhaupt sind der Flughafenlobby egal. Man betont zwar immer wieder, dass man die Bedenken der Anwohner ernst nimmt, das stimmt aber nicht. Das beste Beispiel ist die großartige Ankündigung des Flughafens Leipzig/Halle den Passagierverkehr, trotz Bitten der Regierung und trotz steigender Inzidenzen in der Coronapandemie, wieder hochfahren zu wollen und das auch zu tun.

Sie wohnen in direkter Nähe zum Flughafen, haben Vorerkrankungen. Welchen Einfluss haben Fluglärm und Feinstaub auf Sie? Welche Symptome führen Sie selbst auf den Flughafen zurück?

Ich habe mehrere schwere Operationen und vor einigen Jahren eine Brustkrebserkrankung hinter mir. Ich war bis zu meiner Anerkennung der 100% Erwerbsminderung in einem Architektur- und Statikbüro tätig. Ich wollte wieder in meinen Beruf einsteigen, aber es zeigte sich, dass das unter diesen Bedingungen nicht möglich war. Es war mein Traumberuf, auf den ich unheimlich stolz bin. Besonders der Brückenbau, in den ich eingebunden war, ist sehr verantwortungsvoll. Fehler können tödliche Folgen haben.

Schlafmangel ist in so einem Beruf auf Dauer nicht hinnehmbar. Als das Drehkreuz in der Nacht des 1.4.2008 die ersten Flüge startete, habe ich erst begriffen, was nun auf uns zu kommt. Ich hatte schwere Albträume, träumte von Bombenangriffen, wie sie meine Mutter am Ende des Krieges in Dresden erleben musste. Wurde schweißgebadet wach und konnte nicht wieder einschlafen. Die nächtlichen Baumaßnahmen im Vorfeld habe ich unter dem Hintergrund, dass sie ja irgendwann beendet sind, hingenommen.

Die Realität nach Eröffnung des Drehkreuzes hat mich aber erschreckt und in noch tiefere Depressionen gestürzt, die schon durch den plötzlichen Tod meines Sohnes begannen. Er war freiberuflicher Fotograf und Journalist, hatte im Vorfeld offenbar Insiderwissen, über das er nicht sprechen durfte. Er ahnte, was auf uns zukommen würde und ich vergesse seine Worte nicht, die Politik in Schkeuditz mehr zu verfolgen, was den Flughafen betrifft. Wir sollten uns genau überlegen, ob wir den Kauf einer Eigentumswohnung wirklich in Schkeuditz realisieren wollten. Auf meine Frage warum, antwortete er nicht.

Nach allem, was ich bis dahin durchgemacht hatte, fehlte mir einfach die Kraft zum kämpfen. Ich war so am Ende, dass ich mich in psychiatrische Behandlung begeben musste. Zur Altersvorsorge hatten wir 2000 in Schkeuditz doch eine Eigentumswohnung gekauft. Die ersten Jahre wohnte auch unser inzwischen verstorbener Sohn noch bei uns. Wir konnten also wegen des Kredits, den wir aufgenommen hatten, dann auch nicht mehr wegziehen.

Unser Schlafzimmerfenster zeigt genau nach Norden in Richtung des Flughafens. Vor dem Schlafen hatte ich bis dahin immer das Fenster zum Lüften geöffnet. Wenn ich nun ins Bett wollte, hatte ich an manchen Tagen das Gefühl, jemand hätte in meinem Schlafzimmer einen Trabbi mit laufenden Motor abgestellt. Der Kerosingestank war unglaublich. Ich wusste nicht, wie ich den wieder aus der Wohnung bekommen sollte, denn draußen stank es ja genau so. Bei bestimmten Wetterlagen hing eine regelrechte Smogglocke über der Kernstadt.

Ich war total verzweifelt, ich wollte nur weg aus Schkeuditz und konnte nicht, auch weil mein Mann das auf keinen Fall wollte. Ich hatte Angst, wieder an Krebs zu erkranken. Es gab sogar Trennungsgedanken. Ich war froh, als ich von der Gründung einer Bürgerinitiative hörte. Es hat mich etwas getröstet, dass nun auch Andere kämpfen wollten.

Es war Therapie für mich, in der Bürgerinitiative „GegenLärm“ mitzuwirken. Meine Ärztin unterstützte das auch sehr. Inzwischen leiden mein Mann und ich seit einiger Zeit an Verschleimung, Husten, Niesattacken und ich besonders manchmal an tränenden Augen, Hautproblemen und Gelenkschmerzen. Wir waren beide zum Lungenröntgen, da war nichts auffälliges, das war’s dann. Jetzt in der Coronazeit meide ich Arztbesuche möglichst, weil ich Angst vor Ansteckung habe.

Alte Dame mit geringeltem Pulli steht auf einem Balkon und zeigt zum Himmel

Andrea Künzel zeigt in Richtung des Flughafens von ihrem Balkon aus

Seit wann sind Sie in Kontakt mit dem Flughafen zum Lärmschutz ihrer Wohnung?

Seit es möglich war, Anträge zum Lärmschutz zu stellen. das war in unserem Fall am 3.6.2008. Auf jeden Fall noch zu der Zeit, als Herr Semrau Verantwortlicher für Lärmschutz auf dem Flughafen war. Ich weiß noch, dass er damals direkt bei uns vor Ort war und sich persönlich von den Gegebenheiten überzeugt hat. Es wurde ein Schallschutzgutachten erstellt und dann errechnet, welche Schallschutzmaßnahmen erforderlich sind.

Schwerbehinderte hatten Anspruch auf erhöhten Lärmschutz. Das habe ich damals auch beantragt, nicht nur für mich, sondern auch für einen anderen Mitbewohner unseres Hauses, der auch schwerbehindert ist. Diese Information hatte ich nur intern über die Bürgerinitiative. Das wurde öffentlich gar nicht so verbreitet. Es gab viele die das gar nicht wussten.

Sie haben den Lüfter 3x reklamiert, haben nun einen höherwertigen sowie Schallschutzfenster. Wie steinig war der Weg bis dahin? Was mussten Sie unternehmen?

Wir sind ein Wohn- und Geschäftshaus, also eine Eigentümergemeinschaft. Wir mussten uns deshalb zuerst an die Hausverwaltung wenden. Damals lagen wir noch in der Lärmschutzzone und hatten Anspruch auf die hoch gelobten einfachen Lüfter. Das Gutachten ergab in unserem Fall, dass wir Lärmschutzfenster, neue gedämmte Rollladenkästen und den einfachen Lüfter bekommen sollten.

In der Bürgerinitiative wurde viel fachlich über die Lüfter und ihre Wirksamkeit informiert und diskutiert. Das gab mir Argumente in die Hand, mit dem Flughafen über andere Lüfter zu streiten. Die einfachen Lüfter blasen die verpestete Luft nur ungefiltert in den Schlafraum. Die meisten Schkeuditzer berichten, dass sie ihr Gerät gar nicht benutzen. Der „Trabbi-Effekt“ war der gleiche wie bei geöffnetem Fenster. Es stank nach wie vor nach Kerosin im Zimmer, sobald der Lüfter an war, und die Geräusche waren mir zu laut.

Daraufhin legte ich beim Flughafen Beschwerde ein mit dem Argument, ob die Verantwortlichen im Stau auf der Autobahn auch den Lüfter ihres Autos anmachen, um sich die Abgase vom Vorfahrer direkt ins Auto zu leiten. Ob sie wüssten, dass man sich so umbringen könnte. Ich verlangte einen Lüfter mit Aktivkohlefilter, weil ich durch meine Mitarbeit in der Bürgerinitiative wusste, dass es so etwas gibt. Es dauerte nicht allzu lange, da erhielt ich Bescheid, dass ich nun einen Lüfter und die entsprechenden Filter bekommen sollte.

Das Problem mit dem neuen Gerät war nun, dass die verbrauchte Luft auch nicht abgesaugt wurde. Erhöhte Luftfeuchtigkeit, Mief und erhöhter Innendruck im Raum, wie bei einem aufgeblasenen Luftballon, brachte die Lüfterleistung im Laufe der Nacht zum erliegen. Erholsamer Schlaf war für mich so nicht möglich. Der Aeropac tat es also auch nicht. Außerdem war an der Oberseite die ganze Nacht ein erleuchtetes Display an, was mich ungemein störte, welches ich mit einem Tuch abdecken musste um einigermaßen schlafen zu können.

Aus der Bürgerinitiative wusste ich, dass es Lüfter mit Zu- und Abluft und Aktivkohlefilter gibt. Sie saugen die verbrauchte Luft ab und leiten sie nach außen. Die angesaugte Luft wird vorgewärmt und von Schadstoffen gereinigt. Natürlich ist so ein Gerät wesentlich teurer. Deshalb gab es vom Flughafen auch keine Informationen zu diesem Thema. Es gibt nur wenige Betroffene, die den Meltem-Lüfter bekommen haben. Wahrscheinlich wollte man mir Argumente aus der Hand nehmen und seine Ruhe haben. Sicher spielte meine Aktivität in der Bürgerinitiative auch eine Rolle.

Jedenfalls bekam ich meinen Willen. Das Ganze hat sich jahrelang hingezogen. Ich habe dann noch versucht beim Flughafen zu erwirken, die Filter, die regelmäßig gewechselt werden müssen, ersetzt zu bekommen. Erfolglos. Auch die zusätzlichen Stromkosten, die mir wegen der täglichen nächtlichen Nutzung entstehen, werden mir nicht ersetzt, mit dem Argument, es wären nur ganz geringe Kosten, die nicht ins Gewicht fielen. Momentan bin ich etwas ratlos, zumal viele Mitstreiter der Bürgerinitiative sich zurückgezogen und kapituliert haben. Ich freue mich, dass es jetzt eine neue Klimabewegung gibt, die viele Menschen auf die Straßen bringt, vor allem junge Leute. Der Ausbau des Frachtflughafens tritt alle Klimaziele mit Füßen.

Wie haben Sie sich in den vergangenen Jahren noch für verträgliches Zusammenleben mit dem Flughafen engagiert?

Die Lüftungsanlagen im Schlafzimmer von Andrea Künzel

Wir haben immer wieder versucht, die Menschen für die Probleme mit dem Flughafen zu sensibilisieren. Wir haben flächendeckend Flyer verteilt, Demos organisiert, auf Probleme hingewiesen, wir wollten aus unseren Reihen einen Bürgermeisterkandidaten stellen. Sind damals damit gescheitert. Wir haben es geschafft, einen Mitstreiter unserer Bürgerinitiative im Stadtrat zu etablieren als es noch keine Fraktion der Grünen gab. Am Anfang war er noch ein Einzelkämpfer, wurde von den Lobbyisten immer überstimmt und kaltgestellt, bis er aufgab.

Bei der letzten Stadtratswahl konnte erstmals eine Fraktion der Grünen in den Stadtrat einziehen. Um das zu schaffen waren viele ehemalige Mitglieder der Bürgerinitiative „GegenLärm“ bereit für den Stadtrat zu kandidieren, um Stimmen zu sammeln. Wir haben neuen Wind in den Stadtrat gebracht und die ewigen Ja-Sager zum Nachdenken gezwungen.

Wie haben Sie das Handeln des Flughafens und von politischen Entscheidern in den letzten Jahren wahrgenommen?

Viele haben sich beim Erstellen eines neuen Lärmaktionsplanes einbringen wollen,  versuchten sich mit ihren Hinweisen zur Verbesserung der Lärmsituation in Schkeuditz Gehör zu verschaffen. Sie scheiterten an der Arroganz des Flughafens. Man wollte gar keine konstruktive Mitarbeit, sondern es sollte nach außen hin nur so aussehen, als ob die Bevölkerung einbezogen worden wäre.

Es gab zwei Veranstaltungen dieser Art. Ich habe beim ersten Mal noch teilgenommen. In den Berechnungen eines angeblich renommierten Büros kam heraus, dass die Kernstadt von Schkeuditz gar nicht betroffen ist. Der Lärm macht auf der neuen Lärmschutzkarte einen Bogen um die Kernstadt. Das ist auch der Grund warum wir nicht mehr in der Lärmschutzzone liegen und die Zone verkleinert wurde, obwohl die Belastungen um ein Vielfaches gestiegen sind.

Wenn sich der Frachtverkehr signifikant erhöht, kann es gar nicht sein, dass die Belastungen weniger werden. Auf meine Frage, wieso ich die Flugzeuge in der Nacht trotz Lärmschutzmaßnahmen höre, wurde mir ausfallend geantwortet, ich wäre eben besonders empfindlich. Mein Einwurf, dass ich den Lärm mit meinem Handy auch gemessen hätte, den es rechnerisch nicht gibt, wurde abgebügelt. Mein Gerät wäre nicht geeicht, war das Argument des Flughafenverantwortlichen. Mein Einwand daraufhin war, es ginge ja nicht darum ob es 80 oder 90 dB wären, sondern darum, dass es grundsätzlich zu laut wäre.

Auf meine Frage, wie denn die Formel für die Lärmberechnung aussieht, bekam ich keine Antwort. Der Mann, der die Berechnungen offenbar durchgeführt hatte, zeigte einen Anflug von Scham und konnte nicht verhindern, dass er einen roten Kopf bekam, den Kopf senken musste. Mir sagte das nur, dass er Vorgaben hatte, so lange rechnen musste, bis das gewünschte Ergebnis herauskam. Meine weitere Mitarbeit habe ich daraufhin in dieser Lobbyveranstaltung verweigert. Ich war nicht die Einzige, die so reagierte.

Was denken Sie, wenn Sie das Argument „Aber die vielen Arbeitsplätze!“ hören?

Ich denke vor allem, dass es dank DHL möglich wurde, komplette Industriezweige und Standorte ins billige Ausland zu verlegen. Es ist wahr, am Flughafen Leipzig/Halle sind ein paar tausend Arbeitsplätze entstanden, aber um welchen Preis. Anderswo wurden hunderttausende Stellen flächendeckend in ganz Deutschland wegrationalisiert, in Billiglohnländer ausgelagert.

Diese Arbeitslosenzahlen sind weitaus höher als die  Arbeitsplätze, die hier regional entstanden sind. Viele Existenzen wurden vernichtet von denen keiner spricht, vor allem in den neuen Bundesländern. Gut qualifizierte Arbeitnehmer müssen jetzt als Niedriglöhner in der Logistikbranche arbeiten, obwohl sie eigentlich viel mehr können. Ich kenne einige persönliche Schicksale. Da liegen Ressourcen brach. Eigentlich leiden wir ja angeblich unter Facharbeitermangel.

Logistik, Rüstungskonzerne und die Autoindustrie sind umweltschädliche Branchen, werden mit Milliarden Fördergeldern unterstützt. Dabei sind sie sogar noch die großen Gewinner der Coronakrise. Die Coronapandemie zeigt das deutlich. Das Auslagern ganzer Industrien macht uns auch erpressbar. Gerade in neuester Zeit zeigt sich wie verletzlich wir sind, wenn wir uns nicht selbst versorgen können (Masken, Impfstoffe).

Der Stau im Suezkanal durch das riesige Containerschiff im März 2021 zeigt, wie abhängig wir von anderen sind. Unser ganzes Wirtschaftssystem kann kollabieren, wenn die Handelsketten unterbrochen werden. Wir müssen über Unrecht in der Welt hinwegsehen und uns mit Kritik zurück halten, weil wir sonst erpresst werden. Darüber hinaus unterstützen wir Ausbeutung in großem Stil in den Billigländern und wundern uns dann, wenn deren Bevölkerung nach Deutschland auswandern will. Die extrem umweltschädliche Logistikbranche und die Autoindustrie treiben den Krankenstand nach oben.

Die Zahl der Krebserkrankungen in der Bevölkerung nimmt immer mehr zu. Da ich selbst Betroffene bin, weiß ich, wovon ich rede. Ich sehe, wie sich die Erkrankung verstärkt auch unter Jüngeren ausbreitet. Seit Jahren engagiere ich mich in einer Selbsthilfegruppe für Krebskranke. Es besteht kein Interesse daran zu wissen, wie sich die Zahl der Krebserkrankungen seit Inbetriebnahme des Drehkreuzes erhöht hat. Gutachten dazu gibt es nicht und dort wo es welche gibt, werden sie nicht anerkannt. Für die gestiegenen Gesundheitskosten müssen die Verursacher natürlich nicht aufkommen.

Würde sich das Drehkreuz auch rechnen, wenn die realen Kosten im Vorfeld des Ausbaus eingerechnet worden wären? Das wird auch kaum erwähnt, wenn die Lobhymnen über den Segen der Ansiedlung von DHL angestimmt werden. Viele neue Erkrankungen und Tiere, die unser gesamtes Ökosystem durcheinanderbringen, verursachen darüber hinaus immense Probleme und Kosten.

Auch an der weltweiten Verbreitung des Coronavirus  ist die Logistikbranche nicht unschuldig. Man denke nur daran, dass es möglich ist, trotz Reisewarnung und gegen den Willen der Bundesregierung ins Ausland zu fliegen, weil sich die Luftfahrtbranche über alles hinwegsetzt. Profit geht im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. So viel Ignoranz und Arroganz ist unglaublich. So bekommt man das Virus nicht in den Griff und der Lockdown kostet immer mehr Existenzen, weil er immer wieder verlängert werden muss.

Welche Gedanken kommen Ihnen, wenn Sie an die Zukunft der Stadt Schkeuditz und die Region denken, vor dem Hintergrund auch des Flughafenausbaus?

Mit wachsendem Entsetzen verfolge ich als Naturfreund die verheerenden Folgen des Klimawandels in unserem schönen Auwald. Erschreckend, wie krank viele Bäume sind und wie viel unseres herrlichen Waldes schon abgeholzt werden musste. Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie kaputt die Natur mittlerweile ist. Vor 50 Jahren zog ich, der schönen Umgebung wegen, von Leipzig nach Schkeuditz. Die Nähe zu Wald und Flur hat mich begeistert.

Mittlerweile bin ich ernüchtert und traurig wie sich vieles verändert hat. Ich bin leidenschaftlicher Gartenfreund, aber auch in meinen liebevoll gehegten Garten sind die Folgen der Umweltveränderung nicht zu übersehen. Wenn ich auf meinem Gartenteich und im Wasserfass die bunten Schlieren des Kerosins entdecke, bin ich schockiert. Die Idylle direkt am Auwald wird auch gestört durch die ständigen Starts und Landungen am Flughafen und die vielen Überflüge am Tag und in der Nacht, auch von Privatflugzeugen und Armeehubschraubern, die teilweise im Tiefflug über uns hinweg donnern.

Vor diesem Hintergrund graut es mir vor dem weiteren Ausbau des Flughafens. Wo soll das denn noch hinführen? Ein unendliches Wachstum gibt es nicht. Alles in der Natur ist endlich. Wer soll denn die viele Ware kaufen? Es wird produziert auf Teufel komm‘ raus und dann versucht man, mit aggressiver Werbung die Ware, die keiner braucht, an den Mann zu bringen. Vieles wird vernichtet, bevor es einen Käufer gefunden hat. Die Ressourcen der Erde sind endlich. Zum Beispiel wird Bausand deutschlandweit immer knapper, Betonkrebs durch minderwertigem Sand ist die Folge, die Baukosten steigen immens und bezahlbares Wohnen wird immer unwahrscheinlicher. Mich erschreckt, wie wenig man darauf Rücksicht nimmt.

Die Hand eines alten Menschen zeigt auf einen Stadtplan von Schkeuditz

Nur einen Fingerbreit entfernt liegt der Flughafen Leipzig/Halle

Warum sollten sich Ihrer Meinung nach auch junge Leute für einen verträglichen Flughafen engagieren?

Ich kämpfe schon seit Jahren für ein erträgliches Miteinander von Anrainern und dem Flughafen. Es geht aber vor allem um die zukünftigen Generationen die, wenn sie sich nicht endlich engagieren, in einer verseuchten und kaputten Umwelt mit all seinen negativen Folgen leben werden. Ich freue mich deshalb, dass sich ein langsames Umdenken in der jungen Bevölkerung durchsetzt. Aber es sind noch viel zu wenig Menschen die den Ernst der Lage begriffen haben.

„Die Engagierten“

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